Der Nutzen von Gefährdungsbeurteilungen für pysychische Belastungen am Arbeitsplatz
Gastbeitrag • Dr. Achim Wortmann • Lehrbeauftragter und Unternehmensgründer • 20.10.2015
Immer stärker drängt das Thema psychische Belastungen am Arbeitsplatz in den Fokus der Aufmerksamkeit.
Die Gefährdungsbeurteilung müssen Unternehmen gesetzlich (§5 ArbSchG) ohnehin durchführen. Zwang war aber schon immer ein schlechter Motivator.
Staatliche Förderungen in Form von steuerlichen Vorteilen in Höhe von bis zu 500,- Euro pro Beschäftigtem pro Jahr fokussieren den Blick schnell auf Förderungen, Kosten und Pflichten. Doch was ist mit dem Nutzen? Die steuerliche Begünstigung sollte nur eine willkommene Gegenfinanzierung sein. Immerhin ist ein systematisches Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) ebenso wenig wie die viel genannte Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz kein Selbstzweck.
Gute Systeme tragen direkt und indirekt zum Nutzen eines Unternehmens bei. Sie sparen Kosten ein und sorgen sogar für eine Steigerung der Einnahmen. Jedoch müssen sie dafür gut durchdacht sein.
Blindes Drauflosgestalten hilft am Ende niemandem.
Entscheidungsträger sind gut beraten zunächst nach den Handlungsfeldern im Unternehmen zu suchen. Diese sind nicht immer bekannt – und nicht immer sind die vermuteten Felder auch wirklich die, „wo der Schuh drückt“. Bei der Identifikation hilft eine Befragung der Mitarbeiter. Diese muss aber so kurz und verständlich wie möglich gestaltet sein. Dauert sie zu lange, nimmt die Antwortehrlichkeit zum Ende des Fragebogens hin ab. Ist sie zu unklar, werden die Antworten ebenfalls ungenau. Ein einfacher Fragebogen ist schnell ausgedacht. Ein guter Fragebogen muss nach Kriterien der Organisationsdiagnostik konstruiert und validiert werden. Das sollte ein Profi machen. Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz erfasst bekannte Auslöser für Stress und psychosomatische Auswirkungen. Oft sind die Belastungen auch denjenigen unbekannt, die ihnen tagtäglich ausgesetzt sind. Betroffene bemerken sie meist erst dann, wenn es zu spät ist. Auch das wird von einem guten Fragebogen berücksichtigt. Die Mehrbelastung für die Auswertenden stellt ein nicht zu unterschätzendes Hindernis für eine wirksame Durchführung dar. Ergebnisse der Befragung müssen so schnell wie möglich ausgewertet werden. Die Teilnehmenden wollen schließlich erfahren was nun passiert. Diese legitime Erwartungshaltung zu unterschätzen hat negative Auswirkungen.
Gute Systeme zur Gefährdungsbeurteilung beinhalten die Möglichkeit Hinweise und Kommentare zur Fragebogenantwort hinzuzufügen. Dadurch erhält eine reine Bewertung einen tieferen Charakter. Die Brauchbarkeit der gewonnenen Information steigt erheblich.
Die Erkenntnisse alleine reichen jedoch nicht
Sind Handlungsfelder erst identifiziert tun Unternehmen gut daran sie anzugehen. Die Befragten gleichzeitig neben einer Kommentarmöglichkeit auch nach Verbesserungsvorschlägen zu fragen steigert ihre Unterstützung für spätere Veränderungen. Widerstände dagegen werden geringer (immerhin stammen die Vorschläge von den Beschäftigten selbst).
Idealerweise werden die Beschäftigten nicht nur um Verbesserungsvorschläge gebeten. Sondern man gibt ihnen ebenfalls die Möglichkeit die Vorschläge zu bewerten. Dadurch kommen die Themen stärker in den Vordergrund, bei denen die meisten Beschäftigten Handlungsbedarf sehen. Das stärkt das Interesse an einer Verbesserung. Dadurch können Veränderungen leichter durchgeführt werden. Gleichzeitig investiert das Unternehmen dort, wo der Nutzen am größten ist. Fehlinvestitionen oder unwirksame Maßnahmen werden durch ein solches Vorgehen nahezu ausgeschlossen.
Der Nutzen von solchen Verbesserung kann immens sein. Über 460.000,- Euro an unnötigen Kosten lassen sich in einem mittelständischen Unternehmen mit 500 Beschäftigten im Jahr einsparen. Allein die Reduktion von Fluktuation (und der damit sinkende Rekrutierungsbedarf) spart in einem solchen Unternehmen fast 300.000,- Euro an Kosten.
Die gestiegene Mitarbeiterbindung durch ein wirksames BGM hat weitere positive Folgen. Eine systematische Durchführung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz führt gleichzeitig zu einer erheblichen Steigerung der Leistungsfähigkeit. Vor allem führt sie aber zu einer Steigerung der Leistungsbereitschaft.
In einer Studie mit über 450 Befragten gaben 55,9% an, ernsthaft wechselwillig zu sein. Bei negativer Mitarbeiterverbundenheit waren das sogar 83,3% der Befragten. Als Gründe werden oft fehlende Work-Life-Balance, Stress oder Belastung angegeben. Der Return-on-Invest in diesen Themengebieten wurde in Studien in den USA auf bis zu 680% berechnet. Auch die Auswirkungen auf die Attraktivität als Arbeitgeber sind immens.
Beispielrechnung für 500 Mitarbeiter
Kosten durch AU-Tage von psychischen, psychosomatischen und körperlichen Krankheiten im Unternehmen
Ohne wirksame Vorkehrungen |
Mit wirksamen Vorkehrungen |
9,3% der Beschäftigten (47 MA) → 799 AU-Tage |
2% der Beschäftigten (10 MA) → 170 AU-Tage |
Kosten: ca. 200.000 EUR* |
Kosten: ca. 42.000 EUR |
davon 17% psychisch |
|
→ 304 AU-Tage |
→ 65 AU-Tage |
Kosten: ca. 76.000 EUR |
Kosten: ca. 16.000 EUR |
*) Kosten pro AU-Tag betragen ca. 200 bis 450,- € - hier wurden 250,- berechnet.
Quellen:
DAK-Gesundheitsreport 2015. IGES: Berlin.
Baua (2007): Mit Sicherheit mehr Gewinn – Wirtschaftlichkeit von Gesundheit und Sicherheit bei der Arbeit. Berlin: Online.
Fazit
Ein gutes Betriebliches Gesundheitsmanagement beinhaltet eine systematische Gefährdungsbeurteilung für psychische Belastungen am Arbeitsplatz. Das hat erheblichen Nutzen für das Unternehmen:
- reduzierte Fluktuation
- Senkung von Krankenständen
- Steigerung der Leistungsfähigkeit
- Zunahme der Leistungsbereitschaft
Mittelständische Unternehme mit 500 Beschäftigten können ca. 460.000,- Euro unnötige Kosten einsparen. Der Return-on-Invest beträgt bis zu 680% dessen, was in Maßnahmen zur Verbesserung investiert wurde.