Mitarbeiterbefragung als Instrument moderner Personalarbeit
Gastbeitrag • Volker Nürnberg • HR Consultant bei HR Business Transparency Consulting • 11.02.2019
Im Zuge von Digitalisierung und Agilität steigen die Anforderungen an individuelle Gestaltungsspielräume, demokratische Teilhabe und Partizipation im Betrieb enorm. Mitarbeiter wollen gehört werden und sich im Unternehmen einbringen.
Mitarbeiterwahrnehmung als Herausforderung
Eine Erkenntnisse aktueller Untersuchungen im Bereich der Arbeits- und Organisationspsychologie ist, dass innovative und erfolgreiche Unternehmen von einer Kultur geprägt sein werden, in der Mitarbeiter in wichtige Entscheidungen eingebunden werden und starre Hierarchien wegfallen. Umso wichtiger ist es zu wissen, wie die Mitarbeiter "ticken". Dies ist eine große Herausforderung für Unternehmen, denn die traditionelle Top-Down Führungskommunikation mit ihren häufig starren Prozessen ist kaum geeignet, Mitarbeiterbelangen den notwendigen Rahmen und Stimme zu geben. Ebenso wenig "hören" traditionelle Mitarbeiterbefragungen im deutschsprachigen Raum den Mitarbeitern ausreichend "zu". Diese konzentrieren sich in der Regel darauf; "Zufriedenheit" zu messen, in der Hoffnung, dass sich gute Werte ergeben, oder um Probleme aufzudecken und dadurch bedingte schlechte Werte zu verbessern. Das Problem dabei ist, dass sich die Mitarbeiter selten gehört und wertgeschätzt fühlen.
Agile Systeme als Chance
ln dieser Situation können agile Mitarbeiterbefragungen eine ideale Brücke bauen, die Mitarbeiter umfangreich einbinden, Kommunikation und Führung im Unternehmen verbessern und auch ein Werkzeug für moderne Mitbestimmung und Betriebsratsarbeit sein. Neuere, agile Arten von Mitarbeiterbefragungen, z.B. "Puls"-Befragungen, bei denen kleinen, ausgewählte Mitarbeitergruppen nur wenige Fragen regelmäßig gestellt werden, haben wenig gemeinsam mit den traditionellen "Befragungs-Dinosauriern", bei denen alle Mitarbeiter alle 1-2 Jahre über Wochen befragt werden und die Auswertung oft Monate dauert. Der Begriff "Pulse Survey" kommt .aus dem Englischen und wird oft verwendet, um im Zeitverlauf die "Gesundheit" der Firmenkultur und einzelner Fokusthemen hierzu zu messen. Die Idee ist, damit indirekt die "Gesundheit" der Organisation zu messen. Solche Systeme machen deutlich mehr, als nur Fragen zu stellen. Die Antworten der befragten Mitarbeiter werden schon durch das System ausgewertet und priorisiert und dann automatisch als Aufgaben definierten Stellen im Unternehmen, z.B. Führungskräften oder Betriebsräten zugewiesen. Ein solcher strukturierter und für alle Beteiligten offener Prozess kann die Feedbackkultur zur Zufriedenheit aller dauerhaft verbessern.
Anwendungsbeispiel: Psychische Gefährdungsbeurteilung
Mit Puls-Befragungen können ausgewählte Mitarbeiter aktiv in eine Beurteilung arbeitsplatzbezogener psychischer Gefährdungen gemäß ArbSchG eingebunden werden:
- Kurze PULS-Befragung (5-10 Fragen) zur Bewertung von Themen wie Arbeitsaufgabe, Arbeitsinhalte, Arbeitsorganisation, Soziale Beziehungen, neue Arbeitsformen
- Ideen sammeln und direkt (kritisch) bewerten
- Umsetzung von gewählten ldeen nach vorgegebenen Workflows.
Dieser Prozess kann in einem vorgegebenen, kurzen Zeitraum durchgeführt und zu Ergebnissen geführt werden. Er ist für alle Beteiligten offen und transparent und genügt den Durchführungs- und Dokumentationsanforderungen des Gesetzes.
Zur Aktivierung der Mitarbeiter sind auch interaktive Gruppenbefragungen zu bestimmten Themen mit TeleDialog- Systemen ("TED" - ähnlich wie vor vielen Jahren vom ZDF entwickelt und in den Sendungen Wetten Dass und ZDF Hitparade zur Publikumsbeteiligung eingesetzt) möglich, bei denen die Befragten in der Gruppe die Ergebnisse der Befragung nach jeder Frage unmittelbar auf einer Leinwand sehen und in Echtzeit, moderiert durch Mitarbeiter des Personalbereichs oder auch durch Betriebsräte, in anonymer Kenntnis aller Meinungen im Raum über Probleme und deren Ursachen diskutieren und gemeinsam Lösungsideen entwickeln.
Vertrauen, Vertraulichkeit und Datenschutz
Der Erfolg der Mitarbeiterbefragung hängt von der Vertraulichkeit der Datenverwendung im Sinne eines psychologischen Faktors - Vertrauen der Teilnehmer - und auch von der Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben ab. Um Vertrauen in die Vertraulichkeit der erhobenen Daten zu erzielen, sind die folgenden drei Punkte von Bedeutung:
- Anonymität,
- Freiwilligkeit und
- Transparenz.
Zur Wahrung der Anonymität der Teilnehmer darf durch Kombination von Auswertungsmerkmalen in keinem Fall eine kleinere Mitarbeitergruppen zu identifizieren sein, als eine solche von 3-5 Mitarbeitern. ln der Praxis ist es üblich, die Ergebnisse von Gruppen unterhalb dieser Schwelle erst in der nächsthöheren Auswertungsebene zu analysieren. Wichtig ist dieser Aspekt auch besonders bei sogenannten Zusatzfragen. Diese kommen oft bei Online Auswertungen zum Tragen, wenn z.B. bei negativer Beantwortung von Fragen in einem zweiten Schritt explizit nach Gründen gefragt wird. Derartige Zusatzfragen können aber unter Umständen eine grundsätzlich geschaffene Anonymität aufheben, wenn hierdurch das Bewertungsraster zu feinmaschig wird. ln diesem Zusammenhang ist es zur Bildung einer validen Vertrauensbasis der Teilnehmer wichtig, gegenüber diesen deutlich klar zu stellen, ob Daten- sollte die Anonymitätsschwelle von 3-5 Mitarbeitern unterschritten werden nicht ausgewertet, oder- besser- gar nicht erhoben werden oder auf technischem Wege -gleich im Ersten Auswertungsschritt "anonymisiert" werden in dem sie der nächsthöheren Auswertungsebene zugeschlagen werden. Die Freiwilligkeit der Teilnahme bedeutet, dass die Tatsache, ob ein Mitarbeiter an der Befragung teilnimmt freiwillig sein sollte und nicht überprüft wird. Um Doppelabstimmungen einer Person zu vermeiden, ist es sicher möglich, bei einer Online-Befragung einen Link zu generieren, der nur einmal gültig ist. Umgekehrt darf dies aber nicht zu einer Überwachung führen, wer schon an der Befragung teilgenommen hat. Eine offene und transparente Kommunikation zu allen Aspekten der Datenverwendung ist essentiell, sowohl um eine hohe Teilnahmequote zu generieren, als auch die Offenheit und Ehrlichkeit der Antworten sicherzustellen.
Selbstverständlich unterliegen hierbei auch im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung erhobene Daten den Anforderungen der DS-GVO und des BDSG. Die Datenverarbeitung muss insofern gerechtfertigt sein. Werden die Daten im "Beschäftigungskontext" im Sinne von Artikel 88 EU DS-GVO bzw. für "Zwecke des Arbeitsverhältnisses" (§26 BDSG) erhoben, stellt dies einen Erlaubnistatbestand im Sinne dieser Gesetze dar und eine Einwilligung der betroffenen Mitarbeiter ist nicht erforderlich. Alternativ kann eine Rechtfertigung durch Einwilligung oder per Betriebsvereinbarung erfolgen.
Mitarbeiterbefragung und Mitbestimmung
Inwiefern der Betriebsrat vor einer solchen Mitarbeiterbefragung zubeteiligen ist, richtet sich insbesondere danach, ob die Erhebung individueller Mitarbeiterinformationen beabsichtigt ist oder auch technisch möglich ist. Sind die Fragen nicht personenbezogen oder konkreten Mitarbeitern zuzuordnen, besteht in der Regel kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (siehe auch BAG v. 21.11.2017 - 1 ABR 47/16). Ein Mitbestimmungsrecht nach § 94 BetrVG sollte hierbei regelmäßig ausscheiden. Ein mitbestimmungspflichtiger Personalfragebogen liegt nur dann vor, wenn sein Gegenstand die formularmäßige Zusammenfassung von Fragen über die persönlichen Verhältnisse, Kenntnisse und Fähigkeiten einer Person ist. Die Mitarbeiterbefragung im vorbenannten Sinne möchte hingegen Meinungen der Belegschaft aggregieren und auswerten. Setzt der Arbeitgeber für die Mitarbeiter-Befragung indes technische Einrichtungen ein, die eine Verhaltenskontrolle erlauben, kann eine Mitbestimmung nach§ 87 I Nr. 6 BetrVG in Betracht kommen.
Zu beachten ist, dass der Betriebsrat nach § 80 II BetrVG vom Arbeitgeber Auskunft über die Auswertung der Befragung verlangen kann, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die dabei gewonnenen Erkenntnisse Aufgaben des Betriebsrats betreffen. Der Betriebsrat hat also in der Regel ein lnformationsrecht.
Praxistipp:
- Informieren Sie sich über dle Möglichkeiten moderner Mitarbeiterbefragungen.
- Suchen Sie sich einen geeigneten (technischen) Partner und ein geeignetes Problemfeld.
- Stimmen Sie sich mit Ihrem Betriebsrat ab und führen Sie eine Mitarbeiterbefragung in einem geeigneten Pilotbereich durch.
- Werten Sie diese Befragung aus und entscheiden Sie über eine Ausweitung und/oder weitere Schritte.
Zusammenfassung
Moderne Mitarbeiterbefragungen machen Spaß und fördern Kommunikation, Teilhabe und Partizipation im Betrieb enorm. Damit binden Sie auch Mitarbeiter an das Unternehmen und sichern dessen Zukunftsfähigkeit. Sie können jede Mitarbeiterbefragung ohne Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gestalten. Wenn Sie jedoch detaillierter fragen wollen und insbesondere, wenn Sie die Befragung in andere betriebliche Prozesse, wie die Führungskräfteentwicklung oder das Gesundheitsmanagement einbinden wollen, empfiehlt sich eine enge Abstimmung mit dem Betriebsrat.
Anmerkung: Dieser Artikel ist erstmals in der Ausgabe 4.2019 der Schnellinformation für Personalmanagement und Arbeitsrecht (SPA) des Verlages C.H.Beck erschienen.